„Inflation wird 2022 sinken“ – EZB korrigiert endlich fatale Fehleinschätzung

Vor noch einem Jahr machte die Inflation der EZB keine große Sorgen. Das hat sich inzwischen geändert. Für die nächste Sitzung steht eine deutliche Zinserhöhung im Raum.

Fast genau ein Jahr ist es her, da hielt EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel eine bemerkenswerte Rede. Es gebe zur aktuellen Inflationslage zwei Meinungen, sagte Schnabel beim Petersberger Sommerdialog Anfang Juli 2021 . Die einen glaubten, dass die hohe Inflation nur vorübergehend sei, andere seien der Ansicht, dass die Raten steigen werden. „In meiner Rede werde ich argumentieren“, so Schnabel, „warum die Inflationstreiber im Laufe des Jahres 2022 zurückgehen werden und die Teuerung mittelfristig unter dem EZB-Ziel liegen wird.“

Nun, es kam anders.

In knapp der Hälfte der Länder der Eurozone liegt die Inflation inzwischen bei über zehn Prozent, wie eine Übersicht der DWS zeigt. Mit einer Rate von 7,9 Prozent kann sich Deutschland fast noch glücklich schätzen.

Angesichts solcher Werte hat auch EZB nun erkannt, dass langsam mal etwas gegen die Inflation getan werden muss und sie nicht von selbst verschwindet. Auf dem Notenbank-Forum in Jackson Hole Ende August klang Schnabel nun so: „Die hohen Inflation ist für viele Bürger zu einer großen Sorge geworden.  […] Die Notenbanken müssen entschlossen handeln. Sie müssen sich mit Nachdruck gegen einen Vertrauensverlust der Bürger in unser Geldsystem stemmen.“ Die Inflation müsse schnell wieder auf den Zielwert zurückgebracht werden. 

Hohe Inflation: EZB dürfte die Zinsen deutlich anheben

Ihre und die Worte der anderen EZB-Banker bei der Veranstaltung hinterließen Eindruck bei den Investoren. Eine „Jumbo-Zinserhöhung“ von sogar 0,75 Prozentpunkten erwartet Nomuras Europa-Chefvolkswirt George Buckley für die nächste Sitzung am 8. September. Andere Beobachter sind etwas vorsichtiger und prognostizierten eine Anhebung um 0,5 Prozentpunkte.

Aber auch das ist deutlich mehr, als noch vor kurzem erwartet worden war. Insgesamt haben die Märkte ihre Zinserwartungen nach oben korrigiert. Ein Zinssatz von zwei Prozent wird jetzt im Allgemeinen fürs Jahresende angenommen. Das sind gut 0,5 Prozentpunkte mehr als noch im Juni.

Die nahende Rezession könnte die EZB-Entschlossenheit beenden

Geht also die EZB den Kampf gegen die Inflation entschieden an? Eine gewisse Skepsis darf angebracht sein. „Der Lackmustest für die Entschlossenheit der EZB, die Inflation zu senken, steht erst nach dem Jahresbeginn 2023 an. Denn dann dürfte in den harten Daten sichtbar werden, dass der Euroraum wegen der massiv gestiegenen Energiepreise und der Unsicherheit über die Gasversorgung in die Rezession gerutscht ist“, schreibt die Commerzbank in einem Kommentar.

Isabel Schnabel machte zwar in Jackson Hole klar, dass die EZB auch im Falle einer Rezession an ihrem geldpolitischen Kurs festhalten solle. Dafür spreche die Unsicherheit über die Hartnäckigkeit der Inflation, die bedrohte Glaubwürdigkeit der Notenbanken und die möglichen Kosten zu späten Handelns. Es wäre jedoch nicht das erste Mal, dass Schnabel eine Kehrtwende vollzieht.

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