War der EZB-Zinshammer nur ein geschicktes Täuschungsmanöver?

Die Überraschung war groß, als die EZB nach ihrer jüngsten Sitzung die Zinsen um 0,5 Prozentpunkte anhob. Sie wurde dafür von vielen Ökonomen gelobt. Es könnte verfrüht gewesen sein.

Hat die EZB den Ernst der Inflations-Lage erkannt? Nach dem jüngsten Zins-Entscheid ist meine Hoffnung  zumindest ein bisschen gewachsen. Unerwartet deutlich hoben die Notenbanker nach ihrer Sitzung vergangenen Donnerstag die Zinsen um 0,5 Prozentpunkte an. Die Beobachter hatten nur mit einem Schritt in Höhe von 0,25 Prozentpunkten gerechnet. Die Ära des Negativzins ist damit früher vorbei als gedacht.

So ganz will ich aber der EZB aber noch nicht vertrauen. Die Notenbank ist bei mir nur auf Bewährung. Der Grund: Da ist dieses kleine Wörtchen in dem Statement der EZB, dass die scheinbar mutige Entscheidung in ein etwas schales Licht rückt: „frontloading“. Wörtlich heißt es in dem Statement : „The frontloading today of the exit from negative interest rates (…)“ In der offiziellen deutschen Übersetzung klingt es so: „Durch das heutige Vorziehen des Ausstiegs aus den Negativzinsen (…)“

Die EZB muss ihrer Kampfwillen erst noch zeigen

Das klingt erstmal harmlos – bis man sich in Erinnerung ruft, was die EZB vor dieser Sitzung mehr oder weniger stark angedeutet hat. Denn es ist nicht so gewesen, dass eine Zinsanhebung um 0,5 Prozentpunkte völlig unerwartet kam. Nur mit dem Zeitpunkt hatte keiner gerechnet. Die meisten Beobachter hatten aus den Andeutungen der Notenbanker herausgehört, dass die Zinsen im Juli um 0,25 Prozentpunkte steigen sollen und dann im September, auf der nächsten Sitzung, um besagte 0,5 Prozentpunkte.

Als Frage steht jetzt also im Raum: Hat die EZB die Reihenfolge einfach nur getauscht? Bedeutet das der Hinweis auf das „frontloading“? Wurde die Erhöhung einfach nur vorgezogen ohne dass sich an der eigentlichen Planung etwas geändert hat?

EZB fährt jetzt auf Sicht

Ein klares Bekenntnis zu weiteren kräftigen Anhebungen findet sich jedenfalls nicht in dem Statement. Die EZB kündigt nur an, dass sie die Zinsen je nach Datenlage weiter anheben wird. Das kann alles heißen.

Ob der Zinshammer also eine ernstgemeinte Kampfansage an die Inflation war oder nur ein Psychospielchen, wird sich erst in einigen Wochen entscheiden. Der Devisenmarkt bleibt jedenfalls skeptisch. Der Euro-Kurs zum Dollar hat sich seit der Entscheidung kaum geändert. Die Parität ist weiter in greifbarer Nähe.

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