EZB-Protokoll zeigt, wie ernst die Lage um unser Geld ist

Nachdem sie lange beschwichtigt hat, sieht nun auch die EZB die Gefahren der Inflation. Das neu veröffentlichte Protokoll der letzten Sitzung zeichnet ein düsteres Bild der Lage.

Am 26. Oktober trifft sich der EZB-Rat zu seiner nächsten Sitzung. Als fast sicher gilt, dass es wieder einen großen Zinsschritt geben wird. Denn bei der Inflation deutet nichts auf eine Entspannung der Lage hin. Inzwischen liegt die Teuerungsrate für den Euroraum bei zehn Prozent.

Was die Notenbanker über die Situation denken, offenbart das Protokoll der letzten Sitzung , das vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Mehrere interessante Dinge werden darin deutlich:

1) Nicht allen EZB-Ratsmitgliedern ist der Ernst der Lage klar

Es stehen nicht alle Mitglieder des EZB-Rates hinter der letzten Zins-Anhebungen in Höhe von 0,75 Prozentpunkten. Im Protokoll ist nur von einer „sehr großen Zahl“ von Ratsmitgliedern die Rede, die dafür stimmte. Andere Notenbanker plädierten für einen kleineren Schritt. Ein Plus von 0,5 Prozentpunkten schätzten sie laut Protokoll als ausreichend ein, um den Willen zu einer weiteren Normalisierung der Geldpolitik deutlich zu machen. Das finde ich ehrlicherweise einen Hammer. In der jetzigen Lage bei den Inflationsraten noch daran zu glauben, dass zögerliches Handeln reicht, ist für mich nur schwer begreiflich.

2) Selbst ein Wirtschaftsabschwung könnte nicht reichen

Darüber hinaus wurde argumentiert, dass sich die Art des Inflationsprozesses verändert habe. Die Inflation habe begonnen, sich selbst zu verstärken, sodass selbst eine prognostizierte deutliche Abschwächung des Wachstums nicht ausreiche, um die Inflation wieder auf das Zielniveau zu bringen. Auch das klingt gar nicht gut. Denn das ist ja eigentlich der Mechanismus: Geringere Nachfrage (aufgrund schwacher Wirtschaft) führt zu sinkenden Preisen. Schnell wird sich das Inflationsproblem also nicht lösen lassen.

3) Inflation kann trotz sinkender Einkommen noch steigen

Dazu passt eine andere Sorge der Euro-Notenbanker: Sie fürchten laut Protokoll, dass die Auswirkungen des Krieges und der Pandemie auf die Produktionskapazitäten der Wirtschaft größer und langwieriger seien als erwartet. Wenn die Angebotsseite stärker betroffen sei als die Nachfrageseite, könnte dies den Inflationsdruck verstärken, selbst wenn die Realeinkommen sinken. Übersetzt heißt das: Wenn Angebot und Nachfrage gleichermaßen sinken, ändert sich am Inflationsproblem nichts. Es gibt weiterhin zu wenig Angebot für eine zu große Nachfrage – nur eben auf einem anderen Niveau. Entweder muss also das Angebot bei gleicher Nachfrage steigen, oder die Nachfrage muss bei gleichem Angebot stärker fallen. Auch das spricht wieder dafür, dass nur eine harte Rezession die Inflation senken kann.

4) Die Menschen verlieren ihren Glauben an die EZB

Schließlich sprachen die Notenbanker noch darüber, dass eine Reihe von Indikatoren darauf hinweise, dass die längerfristigen Inflationserwartungen nicht mehr verankert seien. Im Juli (und auch im August) lag in einer EZB-Umfrage der Median der Inflationserwartungen für die nächsten drei Jahre bei drei Prozent. Mit anderen Worten: Immer mehr Menschen glauben nicht mehr, dass die EZB die Inflation mittelfristig wieder wie versprochen auf zwei Prozent senken kann.

Auch das ist bedenklich: Steigende Inflationserwartungen sind ein ernstes Problem, da sie rasch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden können. Nur mit weiteren Zinserhöhungen kann die EZB glaubhaft macht, dass sie die Inflationsbekämpfung ernst nimmt. Man kann also nur hoffen, dass der EZB-Rat nicht einknickt, wenn die von vielen befürchtete Rezession sichtbar wird. Denn was passiert, wenn sich die Inflationserwartungen vollständig aus der Verankerung lösen würden, zeigt als Extremfall die Türkei. Hier liegt die Inflation inzwischen bei über 80 Prozent.

Inflationsproblem wird nicht so schnell verschwinden

Alles in allem macht das Protokoll deutlich, wie groß das Inflationsproblem ist. Und es zeigt, dass es schwer und schmerzhaft wird, es wieder in den Griff zu kriegen.

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